Frieden

Liebe Fanatiker

Liebe Fanatiker, ein Buch von Amos Oz; Suhrkamp 2017

Warum ist dieses Buch so wichtig für uns alle, seien wir Juden, Christen, Moslems, oder eine der weiteren Religionen oder säkular?

Amos Oz schildert sehr schön und sehr gut lesbar die aktuellen Problematiken der Menschen mit uns selbst, als Fanatiker, jeder ist so einer, irgendwann, oft oder weniger oft. Oder als friedliche Mitbewohner dieser Erde, egal wo.

Mehr wird nicht verraten. Nur eine Sache: das Psychodrama kommt auch hierin vor. Moreno war ein sephardischer Jude. Seine Intentionen in der Theorie des Psychodramas wird leider zu selten hier in Mitteleuropa angewendet. Vor allem nicht in der Schule!

Vielleicht ändert sich dies nun, unsere Kulturen verbinden sich mehr und mehr. Und die andere Hälfte der Menschheit wird immer powervoller. Sei es in Palestina, Israel, Iran, Syrien, Irak, Kurdistan, USA, EU, China, Russland usw.

 

"Wir müssen uns die innere, ideologische und emotionale Welt des anderen vorstellen, selbst im Moment einer Konfrontation und insbesondere dann, wenn eine Mischung aus Wut, Scham und Abscheu in uns aufsteigt, wenn wir uns im Recht fühlen und der felsenfesten Meinung sind, dass uns ein Unrecht angetan wurde.

Vielleicht sollten wir uns zuweilen fragen: »Was wäre, wenn ich an ihrer oder seiner Stelle wäre?« Vielleicht sollten wir für Momente in die Schuhe der anderen schlüpfen, in ihre Haut, nicht um einen Fluss zu überqueren oder »neu geboren zu werden«, sondern nur um nachvollziehen und spüren zu können: Was gibt es da eigentlich, auf der anderen Seite des Flusses? Was treibt diese Leute an? Was spüren sie, was denken sie? Wie sehen wir, von dort aus gesehen, aus? (Und vielleicht könnten wir dabei auch gleich versuchen festzustellen, wie tief der Fluss ist, der zwischen uns fließt, wie breit er ist und wo und wie sich eine Brücke bauen ließe?)

Diese Neugier führt uns nicht zwingend zu generalisierenden moralischen Schlussfolgerungen und auch nicht zur Aufgabe unserer Persönlichkeit zu Gunsten der Persönlichkeit des anderen. Aber sie wird uns gelegentlich zu einer großartigen Entdeckung führen, nämlich zu der Entdeckung, dass es viele Flüsse gibt und sich von jedem Ufer aus andere Blicke auf bezaubernde, überraschende Landschaften bieten und dass diese Landschaften bezaubernd sein können, selbst wenn sie uns persönlich nicht verlocken, und überraschend, selbst wenn sie uns nicht reizen. In dieser Neugierde steckt vielleicht eine Chance für Offenheit und Toleranz.

aus:  Liebe Fanatiker  Drei Plädoyers

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